Ich klopfe an der Tür. Keiner da. Jims Schwester scheint noch unterwegs zu sein. Sie wohnt mit Ihrem Mann Michael, der Anwalt ist, und ihren zwei 15 und 17 Jahre alten Töchter in einem wohlhabenden Stadtbezirk. 5 Minuten später kommt sie gefahren und wir begrüßen uns herzlich, da wir schon am Telefon vorgestern 10 Minuten miteinander gesprochen haben.
Sie führt mich in ihrem Haus herum und zeigt mir mein Zimmer.
Heute ist per Post eine Karte von den BJees eingetroffen und ebenfalls der vierte Band von Artemis Fowl. Ich setze mich ins Esszimmer und schmökere. Auch ein roter Kater wohnt hier, der den Namen Whiskas trägt. Keine 10 Minuten später kommt Michael von seiner Kanzlei nach Haus – schon im ersten Moment merkt man, dieser Mann hat Ausstrahlung, etwas positives und charmantes geht von ihm aus. Zusammen mit Kate geht er die Pläne der nächsten zweie Tage für mich duch. Morgen werde ich im Garten arbeiten, Sonntag frei haben und Montag bei seiner Schwester helfen. Er fragt mich, ob ich schon was vor habe an meinem freien Tag und ich entgegne ich würde mir gerne im Theater das Stück Democracy ansehen. Anschließend wollen wir zu einem Aussichtspunkt fahren. Sophie, die 15 jährige Tochter wird fahren. Am Auto klebt ein L, welches dazu berechtigt schon mit 15 Jahren ein Auto zu fahren, aber nur wenn die Eltern dabei sind. Am Abend sehen wir uns zusammen Batman Begins auf DVD an, ein Film den ich vorher schon in Pirna mit meiner Schwester und meiner Oma auf Deutsch gesehen habe.
Der nächste Morgen verheißt schönes Wetter, wenn es auch etwas windig wieder ist. Ich trimme die Kanten des Rasen und schneide bis Mittag Büsche und Bäume zurück. Währendessen habe ich Zeit mir Gedanken zu machen, ob ich nun in Wellington bleibe oder weiterziehe. Kata und Michael haben mir geraten eher im Mai oder Juni nächstes Jahr hier einige Monate zu verbringen und jetzt die Sommerzeit auf der Südinsel zu nutzen. Nach einem gemeinsamen Lunch soll ich noch die Hecke hinter dem Haus stutzen. Nachdem ich angefangen habe, finde ich lauter abgestorbene Zweige und Blätter vor, die ich entferne, da sie eh nicht mehr wachsen würden und nur hässlich aussehen. Auf einmal kommt wutentbrannt die Nachbarin herausgestürmt und fragt mich, was ich da den mache. Ich versuche es ihr zu erklären, aber sie scheint ein Problem damit zu haben, dass man nun direkt in ihr Wohnzimmer sehen kann. „Unbelievable“ schreit sie und geht zurück ins Haus. Nachdem ich Michael und Kate die Sitation dargelegt habe, meinen sie dies sei nur „a storm in a teacup“ (ein Sturm im Wasserglas) und ich soll mir weiter keine Gedanken darüber machen. Zumindest werde ich jetzt in Zukunft vorsichtiger sein, wenn ich Nachbars Hecke stuze 😉
Abends sind wir zum Essen bei einer indischen Familie eingeladen, die kürzlich hierher gezogen ist. Alles ist lecker und ich schmecke Kreuzkümmel heraus. Nach dem Dessert lehne ich mich zufrieden zurück und genieße ein Glas Rotwein.
Regnerisch ist der folgende Morgen. Kein Wetter um draußen zu sein. Zuerst besuche ich den Gottesdienst, welcher von Menschen aus verschieden Ländern und Kulturen gestaltet wird. Am Anfang singen alle zusammen Ode to Joy (Freude schöner Götterfunken), dann ziehen die verschiedenen Gruppen ein. Bei den Fürbitten ist auch eine deutsche dabei, vorgelesen von einem kleinen Jungen.
Nach dem Gottesdienst gehe ich ins Hallenbad und schwimme einige Runden. Am Dienstag werde ich mit der Fähre auf die Südinsel übersetzen, meine Entscheidung ist gefallen und das Ticket bereits gebucht. Doch jetzt geht es erstmal ins Theater, ich bin gespannt, da ich die Geschichte an sich ja kenne, aber nicht weis wie sie dargestellt wird. Zumal es ein deutsches Thema ist, bin ich auf die Umsetzung gespannt. Wie wird Willi Brand wohl aussehen, wie wird er sprechen?
Die Lichter gehen aus und ein Lied von Rammstein dröhnt aus den Boxen. Auf einmal stehen Alle auf der Bühne – nur Männer. Liegt wohl daran, das zu dieser Zeit Frauen in der Politik nur eine Nebenrolle gespielt haben, was sich jetzt Gott sei dank geändert hat. Herbert Wehner erkenne ich auf den ersten Blick – gut getroffen. Das waren noch Politiker, auch wenn ich ihn nur aus alten Bundestagsdebatten kenne, so ein Auftreten haben heute nur wenige. Während der Spielzeit sieht man Willy Brandts Kniefall in Warschau und die gesamte Affäre rund um den DDR-Spion Günter Guillaume. Sehr interessant ist, alles wird aus der Sicht von Günter Guillaume erzählt.
Beeindruckend ist mein Resume und auch die anderen Theatergäste scheinen ähnlicher Auffassung zu sein, als ich bei einer Tasse Filterkaffee im Bistro lausche.